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Der Fall Böhmermann: Merkels Entscheidung ist kein Einknicken vor Erdogan - im Gegenteil!

Die Kanzlerin zeigt Erdogan, dass in einer Demokratie und einem Rechtsstaat mit Gewaltenteilung nicht die Regierung über Recht oder Unrecht entscheidet, sondern eine unabhängige Justiz.

Hätte sie anders entschieden und selbst als Exekutive die Strafverfolgung bei diesem Delikt ausgeschlossen, hätte sie Erdogan und dessen Praxis in seinem Staat exkulpiert.

§ 103 des Strafgesetzbuchs stellt die Beleidigung fremder Staatsoberhäupter unter Strafe. Die sonst ohne weiteres zuständigen Justizbehörden dürfen in diesem Fall nach § 104 a Strafgesetzbuch aber nur tätig werden, wenn u.a. der Staat des „Beleidigten“ einen Antrag stellt, und die Bundesregierung eine „Ermächtigung“ erteilt. Diese Hürden sollen außenpolitischen Erwägungen Raum lassen – also: keine Ermittlungen, wenn der andere Staat gar keinen Wert auf Strafverfolgung legt, und auch keine Ermittlungen, wenn die Regierung es aus außenpolitischen Gründen für besser hält, auf ein Strafverfahren zu verzichten. Ein mögliches Verfahren zur Prüfung der persönlichen Beleidigung nach § 185 Strafgesetzbuch ist davon nicht abhängig.

Daraus folgt: Mit der Erteilung der „Ermächtigung“ wird der normale Zustand der Gewaltenteilung wieder hergestellt, nach der allein die Justiz entscheidet, ob sie Ermittlungen für erforderlich hält und zu welchem Ergebnis in der Sache – kein Verfahren, Einstellung, Anklage, Verurteilung/in welcher Höhe, Freispruch - sie kommt. Es geht bei § 104a darum, ein Verfahren stoppen zu können, wo es außenpolitisch stört. Nicht entscheidend sind innenpolitische Gründe oder gar Rücksicht auf den möglichen Beschuldigten. Die Entscheidung enthält keinerlei Vorgaben für das Verfahren, sie bewertet nicht, ob sich die „Schmähkritik“ im Rahmen von Presse-, Meinungs- und Kunstfreiheit  hält. Entscheidet die Justiz für Einstellung oder Freispruch, ist dies in Ordnung.

Die Entscheidung der Kanzlerin liegt genau auf dieser Linie. Sie entspricht schlicht der Rechtslage und war angesichts des absehbaren Gegenwinds im Inland auch mutig. Sie war außerdem das richtige Signal Richtung Erdogan: Die Justiz entscheidet unabhängig. Für ein „Einknicken“ gegenüber Erdogan spricht nichts – zumal selbst im Fall einer Verurteilung (mehr als eine sehr überschaubare Geldstrafe steht als worst case sicher nicht auf dem Spiel) nicht zu erwarten ist, dass die Entscheidung der Justiz dessen Erwartungen zufrieden stellt.