Der Handlungsbedarf ist unstreitig

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Zum Thema Frauenhäuser hat die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode zum ersten Mal einen sehr instruktiven Bericht vorgelegt. Wir hatten dazu außerdem eine sehr informative Anhörung. Für mich fällt die Bilanz gemischt aus: Zum einen wurde uns sehr glaubhaft berichtet, was für eine Arbeit geleistet wird und mit welcher Professionalität, mit welchem Engagement das geschieht; das hat schon ermuntert. Auf der anderen Seite hat betroffen gemacht, dass es nötig ist, diese Arbeit in diesem Umfang zu leisten. Betroffen haben natürlich auch die erkennbaren Defizite und Probleme gemacht. Es wurde uns nämlich sehr glaubhaft aus der Praxis -geschildert, dass nicht allen Frauen eine passende Hilfe angeboten werden konnte, dass zu viel Zeit damit vertändelt wird, Formulare und Anträge auszufüllen, anstatt mit den Frauen zu arbeiten. Es wurde auch klar, dass ohne Ehrenamt und ohne viel Improvisationstalent an der Stelle das Ganze überhaupt nicht zu leisten wäre, obwohl – das muss man sich klarmachen – dieser Schutz vor Gewalt ebenso wie die Daseinsvorsorge in einer bestimmten Notsituation sicherlich zu den ureigenen staatlichen Aufgaben gehört. Es ist eigentlich nur historisch zu erklären, dass das nicht vollauf in der staatlichen Finanzierung ist. Man muss sich einmal vorstellen, dass eine andere Institution im Bereich der Innenpolitik von Ehrenamtlern unterstützt werden müsste, dass wir in Gefängnissen zum Beispiel Ehrenamtler einsetzen müssten, um sie überhaupt unterhalten zu können! Der Handlungsbedarf an der Stelle ist also unstreitig.

Die Bundesregierung erkennt ihn an, erkennt ihre Verantwortung an, nicht nur theoretisch, sondern auch ganz praktisch. Das hat sich durch den Bericht und durch die Anhörung gezeigt, aber eben auch durch die Installierung der Helpline, die in dem Zusammenhang eine ganz hohe Bedeutung hat, die den Frauen wirklich niedrigschwellig hilft, die aber auch die einzelne Einrichtung ein Stück weit davon entlastet, eine geeignete Einrichtung zu finden, wenn sie selbst keinen Platz hat.

Darüber hinaus formuliert der Regierungsbericht selbst, dass es weiteren Handlungsbedarf gibt. Das ist ein Punkt, der unstreitig ist – mit und ohne Antrag der Grünen. Aber wir müssen in der Tat darüber sprechen, wie es weitergehen kann.

Nun gibt es einiges von dem, was Sie ansprechen, in der Praxis schon; das dürfen wir nicht vernachlässigen. Es gibt die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe. Es gibt die Ebene der Frauenhauskoordinierung, die vom Bundesministerium auch gefördert wird. Es gibt die Frauenministerkonferenz, die natürlich auch mit dem Bund kooperiert. Es gibt den Aktionsplan II zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen. Alle diese Strukturen gibt es. Wir müssen ihnen die richtigen Fragen stellen, um zielführende Ergebnisse herauszubekommen.

Sie sprechen in dem Antrag zu Recht an, dass es Probleme in der Abgrenzung der verschiedenen Rechtskreise – SGB II, Asylbewerberleistungsgesetz – gibt. Wir alle wissen, dass Gewalt gegen Frauen nicht nur auf Bezieher von SGB-II-Leistungen zum Beispiel beschränkt ist. Es sind also nicht nur Frauen betroffen, die diesen Rechtskreisen zuzuordnen sind. Das sind Gesetze, bei denen man eine ganz andere Notsituation im Auge hatte. Sie können nicht passgenau sein. Von daher ist da wirklich etwas nachzuarbeiten. Darum kann sich durchaus der Bund kümmern.

Sie sprechen weitere Punkte an, natürlich auch die Finanzierung und die Zuständigkeit. Das waren schon in der Debatte bisher die wichtigsten Punkte. Ich möchte drei Bemerkungen zur Finanzierung machen:

Erstens. Das, was da aus der Warte der Frauenhäuser verlangt wird, ist wirklich nicht zu viel verlangt.

(Beifall der Abg. Marlene Rupprecht [Tuchenbach] [SPD])

Es geht wirklich nirgendwo darum, dass jemand sich eine goldene Nase verdient, es geht nicht darum, dass irgendwo Luxus nachgefragt wird, sondern es geht darum, wirklich eine angemessene, bescheidene und sichere Unterkunft für Frauen in einer Notsituation zu bekommen. Wie gesagt, ohne Ehrenamt und ohne Spenden wäre das bisher nicht möglich.

Zweite Bemerkung. Es ist schon einiges Geld im System. Wir fangen nicht bei null an. Die Länder bringen -einiges zusammen, die Kommunen bringen einiges zusammen, sei es in der institutionellen Förderung oder auch in der fallweisen Unterstützung. Wie viel das genau ist, lässt sich schwer sagen, weil es darüber keine genaue Statistik gibt. Aber allein die Leistungen der Länder dürften die Größenordnung von 50 Millionen Euro erreichen. Hinzu kommt das, was der Bund für die Kosten der Unterkunft und dergleichen – Stichwort „Asylbewerberleistungsgesetz“ – leistet.

Was letztlich gebraucht wird, ist nicht die Welt. Wir haben die Zahlen. Wir gehen davon aus, dass auf 7 500 Einwohner ein Platz im Frauenhaus gebraucht wird. Bei dem Verhältnis gäbe es eine wirklich gute Versorgung. Wenn man das hochrechnet, dann liegt das, was insgesamt gebraucht wird, in der Größenordnung von 150 Millionen Euro. Vieles davon ist, wie gesagt, schon im System. Das müsste doch zu schaffen sein.

(Marlene Rupprecht [Tuchenbach] [SPD]: Könnte man denken!)

Dritte Bemerkung. Denken Sie einmal daran, was allein die Polizeieinsätze samstags in den Fußballstadien kosten!

(Beifall bei Abgeordneten der FDP sowie der Abg. Marlene Rupprecht [Tuchenbach] [SPD])

Wir reden da von Beträgen in einer Größenordnung von 50 Millionen Euro für ein Sicherheitsbedürfnis – vorwiegend der Männer,

(Zustimmung der Abg. Marlene Rupprecht [Tuchenbach] [SPD])

was ihnen gegönnt sein mag; wir haben nichts dagegen.

(Markus Grübel [CDU/CSU]: Das ist aber nett!)

Wenn man das bedenkt, dürfte die Forderung hier doch nicht zu viel verlangt sein. Ich appelliere wirklich an alle, die da mitwirken können: Helfen Sie mit, dass wir dieses Geld auftreiben! Das müssen wir aber auch auf die verschiedenen Schultern verteilen. Zuständig sind zunächst einmal wesentlich die Länder, auch wenn der Wunsch nach einem Bundesgesetz, durch das alles bezahlt wird, verständlich ist. Man sagt: Wir möchten ein Bundesgesetz, damit dieser Bürokratismus ein Ende hat. – Das kann ich verstehen. Trotzdem kommen wir an dieser Stelle an einigen Realitäten nicht vorbei: Sowohl die innere Sicherheit als auch die Daseinsvorsorge sind originäre Länderaufgaben. Wir können auf das Geld, das die Länder einbringen, nicht verzichten, genauso wenig wie auf deren Planungskompetenz vor Ort. Das muss bei den Ländern bleiben. Trotzdem gibt es für den Bund auch Spielraum.

Vizepräsidentin Petra Pau:
Kollegin Winkelmeier-Becker, ich unterbreche Sie ungern, gerade in dieser Debatte, aber achten Sie bitte auf die Zeit und kommen Sie zum Schluss.

Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU):
Ja, ich bin sozusagen beim letzten Satz.

Ich möchte auf das zurückkommen, was Professor Rixen in der Anhörung als mögliche Option aufgezeigt hat. Er hat gesagt, der Bund könne bestimmte Standards und Rahmenbedingungen in einem eigenen Kapitel des SGB XII festlegen. Das wäre von den Ländern auszuführen, sodass dies als gemeinsame Aufgabe unternommen werden soll. Lassen Sie uns das einmal vornehmen!

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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