Kosten des Projekts für Gerichte sind schwer zu beziffern

Der vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung zielt – ebenso wie derjenige des Bundesrates – auf eine Förderung und deutliche Ausweitung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten. Bundesregierung und Bundesrat sind sich darüber einig, dass die Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs in den vergangenen Jahren weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist. Als Gründe werden fehlendes Nutzungsvertrauen, aber auch mangelnde Akzeptanz der elektronischen Signatur genannt. Hinzu kommt, dass die Einreichung von Dokumenten per elektronischem Gerichts- und Verwaltungspostfach nicht bei jedem deutschen Gericht möglich ist.

Angedacht ist eine technologieoffene Regelung in der ZPO und anderen Verfahrensordnungen, um der Justiz die Möglichkeit zu geben, auf zukünftige Entwicklungen der IT-Branche zeitnah reagieren zu können.

Das auf E-Mail-Technik beruhende, hiervon aber technisch getrennte, und durch einen Verschlüsselungskanal gesicherte Kommunikationsmittel De-Mail ebenso wie das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach, EGVP, sollen den Verzicht auf eine qualifizierte elektronische Signatur möglich machen. Teile der Praxis gehen allerdings davon aus, dass eine qualifizierte elektronische Signatur einen zuverlässigen elektronischen Rechtsverkehr zwischen Anwaltschaft und Justiz besser fördert. Gründe für eine -zurückhaltende Nutzung seien vielmehr eine fehlende oder verbesserungswürdige Fachsoftware, Diskrepanzen innerhalb der Verfahren von Bundesland zu Bundesland sowie der fehlende Austausch von Strukturdaten. Ebenso wird angeführt, dass gewährleistet sein müsse, dass ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach unterschiedliche Nutzungsberechtigungen erkennt, sprich: zwischen Anwalt und Angestellten unterscheiden kann. Das Personal müsse in der Lage sein, gerichtliche Schriftstücke einzusehen, die in das elektronische Postfach eingelegt wurden, und müsse berechtigt sein, solche Schriftstücke aus dem Postfach zu entnehmen und in die kanzleiinternen Arbeits-abläufe einzuspeisen. Andererseits müsse sichergestellt sein, dass nur solche Schriftstücke an das Gericht übermittelt werden, die der Anwalt autorisiert hat. Die qualifizierte elektronische Signatur stelle somit das Äquivalent zur persönlichen Unterschrift dar. In den weiteren parlamentarischen Beratungen wird zu -klären sein, inwieweit sich das Verfahren rund um das besondere elektronische Anwaltspostfach von dem derzeitigen unterscheidet. Auch heute sind in der Regel Angestellte in Kanzleien dafür zuständig, Schriftstücke zu versenden und entgegenzunehmen. Wichtig wäre dann, dass einer vom Provider qualifiziert elektronisch signierten Absenderbestätigung ein ausreichender Beweiswert zukommen kann.

Eng mit der Übertragung beweissicherer elektronischer Erklärungen verbunden ist die geplante Fortentwicklung des Zustellungsrechts. Geplant ist eine -Anpassung an die technische Entwicklung in der Form, als zukünftig gerichtliche Dokumente über De-Mail und EGVP rechtssicher, schnell und kostengünstig an das neu zu errichtende elektronische Anwaltspostfach zugestellt werden können. Eine automatisch übermittelte Eingangsbestätigung soll in diesem Zusammenhang den erforderlichen Zustellungsnachweis erbringen. Während eine solche Regelung vonseiten der Justiz ausdrücklich begrüßt und eine deutliche Vereinfachung der gerichtlichen Praxis erwartet wird, ist die Anwaltschaft der Ansicht, dass eine tatsächliche Kenntnisnahme des elektronischen Dokuments durch den Rechtsanwalt für die Akzeptanz des elektronischen Rechtsverkehrs in der Anwaltschaft unverzichtbar ist.

Des Weiteren soll eine technikoffene Vorschrift in Bezug auf rechtssicheres ersetzendes Scannen geschaffen werden. Die erheblichen Vorteile einer elektronischen Archivierung gegenüber einem Papierarchiv sollen genutzt und durch eine neue Beweisvorschrift abgesichert werden.

Bei allen technischen Neuerungen ist es heutzutage selbstverständlich, dass ein barrierefreier Zugang zu den Gerichten als zentrale Bedingung für die Chance auf gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen gesehen wird. So bekennt sich der Regierungsentwurf klar zur Barrierefreiheit und hält diese für gesichert. Der Deutsche Verein der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e. V. sieht dagegen weiteren Regelungsbedarf. Natürlich werden wir auch dies genau prüfen.

Um die Rechtswegs- und Verwaltungsvereinfachungen zu erreichen, wird es letztendlich darauf ankommen, in absehbarer Zeit eine bundesweite flächendeckende Umsetzung der Maßnahmen, ohne föderale Zersplitterung, zu erreichen. In diesem Punkt konnte man Unterschiede bei den Initiativen von Bundesrat und Bundesregierung ausmachen. Es ist aber davon auszugehen, dass hier eine Annährung – auch durch die guten Ergebnisse der Bund-Länder-Kommission sowie des EDV-Gerichtstages – stattfinden wird. Über die genaue Ausgestaltung – auch vor dem Hintergrund von Länderöffnungsklauseln – wird intensiv zu diskutieren sein. Betrachtet man in diesem Zusammenhang zum Beispiel die Überlegungen zur Einführung eines länderübergreifenden Schutzschriftenregisters, zu dem die Gerichte elektronischen Zugang erhalten sollen, macht eine schnellstmögliche Harmonisierung Sinn.

Die Kosten des Projekts für Gerichte, vor allem auch für Anwälte, sind schwer zu beziffern. Auf längere Sicht wird dem technischen und organisatorischen Umstellungsaufwand aber eine nachhaltige Kostenreduzierung gegenüberstehen, welche den -anfänglichen einmaligen Aufwand mehr als kompensieren wird.

Zahlreiche Punkte des Regierungsentwurfs, aber auch des Bundesratsentwurfs, gehen auf Missstände ein und zielen auf deutliche Verbesserungen gegenüber dem Status quo. Natürlich werden auch einige Fragen insbesondere zu Beweiswerten aufgeworfen, die wir im Rahmen der geplanten öffentlichen Expertenanhörung im Rechtsausschuss diskutieren werden, seien sie nun technischer, wirtschaftlicher oder rechtlicher Natur.

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