Zielvorgabe von 30 Prozent bis 2018

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Über die Anträge der Opposition führen wir jetzt seit vielen Monaten, fast schon seit einem Jahr, eine angeregte parlamentarische Diskussion. Wir führen eine öffentliche Diskussion unter Beteiligung vieler Verbände. FidAR, der Deutsche Juristinnenbund und der Verband deutscher Unternehmerinnen haben sich an die Spitze der Bewegung gesetzt. Das hat Druck erzeugt; das Thema wurde in den Unternehmen auf die Tagesordnung gesetzt. Es wird jetzt nicht mehr unter „Verschiedenes“ behandelt, sondern die Unternehmen widmen sich dem mit einem ganz anderen Ernst.

Von den Headhuntern hören wir, dass es inzwischen keinen Vorschlag mehr geben darf, in dem nicht mindestens ein oder zwei qualifizierte Frauen enthalten sind. Die eine oder andere Erfolgsmeldung hören wir auch.

Mir ist wichtig, dabei darauf hinzuweisen, welchen Beitrag die Koalition, besonders auch die Unionsfraktion, in dieser Diskussion leistet. Dieses Thema ist in unserem Koalitionsvertrag an prominenter Stelle verankert. Wir haben eine Frauenministerin, die sich um dieses Thema jedenfalls mit großem Engagement kümmert.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Christian Lange [Backnang] [SPD]: Mussten Sie das jetzt sagen?)

– Ich will hier das Spektrum der Diskussionen in meiner Fraktion darstellen. Wir haben schon öfter darüber gesprochen, und ich habe hier schon vorgestellt, was die Gruppe der Frauen der Unionsfraktion dazu konkret entwickelt hat.

In Summe zeigt das meines Erachtens deutlich, dass auch die Union dieses Thema ernsthaft angeht. Wer glaubt, dass wir bis zum Ende dieser Legislaturperiode abwarten, ohne dass sich an dieser Stelle etwas tut, der hat den Schuss nicht gehört.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe die Vorstellungen der Gruppe der Frauen schon öfter präsentiert, und ich habe auch keinen Hehl daraus gemacht, dass das auch meine Wunschvorstellungen sind. Wir stellen uns im Hinblick auf die Aufsichtsräte in mitbestimmten Unternehmen eine Regelung mit einem verbindlichen Zeitrahmen vor, die einen Mindestanteil von Frauen und Männern – das nur zur Beruhigung einiger Kollegen – in Höhe von 30 Prozent festlegt. Auch für die Vorstände wäre es ganz wichtig, etwas zu tun. Da steht das operative Geschäft im Vordergrund. Allerdings hat man da stärker den Konflikt mit dem Eigentumsschutz auszutragen. Ich glaube, an dieser Stelle wäre die Flexiquote ein sehr guter Ansatz.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir reden über einen Mindestanteil von 30 Prozent. Das ist nicht als Ziel zu verstehen, sondern als die Größenordnung, mit der sich die Strukturen, die den momentanen Zustand zementieren, ändern können. Wird diese Größenordnung erreicht, können wir ein anderes Klima herstellen. Diese Quote ist moderater, und sie ist letztlich konsensfähiger. Daher vertreten wir an dieser Stelle diese Linie.

Ich möchte diese Diskussion noch nutzen, um diejenigen, die Vorbehalte gegen eine Quote haben, ein bisschen aus der Reserve zu locken.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich glaube, wir brauchen einen mehr oder weniger sanften Druck. Ich weiß, dass nicht jeder Skeptiker ein Problem damit hat, wenn Frauen in Führungspositionen stehen. Das erschließt sich mir aus Gesprächen mit meinen Kollegen.

Viele denken – teilweise auch junge Frauen –, dass sich das Ganze von allein regelt. Man sagt: Wir sehen die zunehmende Karriereorientierung der Frauen; wir sehen den hohen Anteil an Akademikerinnen – davon war schon die Rede –; die Strukturprobleme bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die sicher eine Rolle spielen, gehen wir an. Und dann wird gesagt: Zum Teil kämen im geringen Anteil an Frauen in Führungspositionen die Lebensentscheidungen der Frauen selbst zum Ausdruck.

Ich selbst bin in diese Diskussion nicht mit einer festgefügten Meinung gegangen. Wenn man sich schlichtweg mit den Fakten auseinandersetzt, dann sieht man: Sie sprechen für sich. Man kommt nicht daran vorbei, zu konstatieren, dass es Strukturen sind, die den Frauen hier entgegenstehen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Auch wenn wir unterschiedliche Lebensentwürfe, unterschiedliche Schwerpunkte haben, auch wenn ein Ungleichgewicht in einem gewissen Maße unvermeidlich erscheint, darf es bei den Aufsichtsräten keinen Frauen-Männer-Anteil von 10 : 90 und bei den Vorständen von 3 : 97 geben. Das ist durch nichts zu rechtfertigen, egal was an landläufigen Argumenten vorgebracht wird.

(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)

Wird sich das von allein regeln? Schauen wir, welche Erfahrungen wir in den vergangenen zehn Jahren mit freiwilligen Regelungen gemacht haben: Es gab eine Steigerung im unteren einstelligen Bereich. Wenn wir in diesem Tempo weitermachen, dann dauert es in der Tat noch an die 50 Jahre, bis wir bei akzeptablen Größenordnungen sind.

Lassen Sie mich noch auf die Ursachen eingehen. Wählen Frauen die falschen Berufe? Wählen sie die falschen Studienfächer? Das anzunehmen, hat eine gewisse Plausibilität. Wenn man genau hinschaut, dann erkennt man aber: Die Bedeutung der MINT-Berufe wird an dieser Stelle grob überschätzt. 25 Prozent der Mitglieder von Vorständen und Aufsichtsräten der DAX-Unternehmen sind in MINT-Berufen ausgebildet worden. Circa 60 Prozent ihrer Mitglieder kommen aus den Bereichen Jura, Volkswirtschaft und Betriebswirtschaft. Gerade in den Führungsgremien der Banken, in denen genau dies die richtige Qualifikation ist, sind besonders wenige Frauen vertreten.

Das zeigt: Frauen besuchen seit Jahren und Jahrzehnten die relevanten Ausbildungsgänge und sind in den relevanten Berufsgruppen vertreten; dennoch tut sich an dieser Stelle nichts. Ich selbst habe vor 30 Jahren Jura studiert. Daher weiß ich, dass damals genauso viele Frauen wie Männer angefangen haben. Sie haben auch mindestens genauso gute Examina gemacht. Aber auf dieses Reservoir ist bei der Besetzung von Vorständen nicht zurückgegriffen worden. Das spricht schlichtweg für sich.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wieso brauchen wir nun mehr Frauen in Führungspositionen? Dies ist zum einen gut für die Unternehmen, und es ist zum anderen gerecht, wenn Frauen gleiche Zugangsmöglichkeiten zu verantwortungsvollen, interessanten und lukrativen Positionen haben. Beide Aspekte haben nicht nur unmittelbar Auswirkungen auf die Akteure, also auf die Frauen, die in die Vorstände kommen, und auf die Unternehmen, die diese Positionen haben, sondern damit einher geht auch eine Vorbildfunktion mit Ausstrahlungswirkung auf alle Ebenen und Bereiche unserer Wirtschaft.

Zur wirtschaftlichen Seite: Es gibt genügend Studien, auch ganz aktuell eine McKinsey-Studie, die zeigen, dass gerade in den Jahren der Krise die Unternehmen mit Frauen in Führungspositionen signifikant bessere wirtschaftliche Ergebnisse erzielt haben,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

nicht – das wäre vermessen – weil Frauen grundsätzlich besser sind.

(Rita Pawelski [CDU/CSU]: Ein bisschen besser sind sie manchmal schon!)

– Gut. Man kann es auch so stehen lassen. – Vielmehr bringen sie einen anderen, ausgewogenen Ansatz hinein. Das macht das Team insgesamt erfolgreicher, und das darf man sich doch nicht entgehen lassen. Hinzu kommt – davon war schon die Rede – der demografische Wandel. Angesichts dessen ist es doch dumm, wenn sich ein Unternehmen auf die Hälfte des Talentpools beschränkt und nicht überall nach den besten Köpfen schaut.

Aber wenn wir uns die Auswahlmechanismen anschauen, müssen wir konstatieren, dass es gar nicht die Möglichkeit gibt, sich zu qualifizieren, somit auch keine Möglichkeit, sich zu bewerben und zu reüssieren. Berufungen erfolgen nämlich schlichtweg durch die Aufsichtsräte. Da liegt es in der Natur der Sache, dass sich die immer gleichen Auswahlmechanismen perpetuieren. Die Aufsichtsräte wählen die Vorstände, die Aufsichtsräte schlagen der Hauptversammlung passgenau die Kandidaten für das nächste Mal vor.

Thomas Sattelberger, Personalvorstand bei der Telekom, hat in einem Interview gegenüber dem Spiegel auf die Frage, ob sich denn Qualität durchsetze, gesagt:

Die Entscheidungen fallen ebenso durch Seilschaft, Treuebonus, Netzwerke, strategisches Platzieren von Vertrauten und Vitamin B wie durch Qualität.

Ich will ganz gewiss niemandem, der in einer solchen Position sitzt, die Qualifikation absprechen. Aber solche Strukturen schließen Frauen und genauso auch Männer aus, die nicht ins Schema passen; diese sind schlicht gleichheitswidrig.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Die Unternehmen, um die es hier geht, haben Bedeutung für die ganze Volkswirtschaft und für viele Menschen, seien sie Anteilseigner, Mitarbeiter oder Kunden. Deshalb haben wir als Politiker auch die besondere Verantwortung, das nicht nur dem eigenen Geschmack der Unternehmen zu überlassen, sondern auch gestaltend einzuwirken, Vorgaben zu machen und die Verbindlichkeit mit sanftem Druck zu erhöhen. Die Frauen, die sich qualifizieren, die diese Verantwortung übernehmen wollen, die in ausreichender Anzahl zur Verfügung stehen, haben das verdient. Es gibt den Pool beim Verband der Unternehmerinnen; es gibt also wirklich genügend Talente, die diese Positionen einnehmen könnten.

Wir brauchen jetzt schnell eine Regelung. Deshalb bin ich froh, wenn bald vom zuständigen Familien- und Frauenministerium eine Diskussionsgrundlage vorgelegt wird.

(Christel Humme [SPD]: Große Frage! – Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich denke, dass wir eine Zielvorgabe von 30 Prozent in einem angemessenen Zeitrahmen brauchen. 30 Prozent bis 2018 – das wäre realistisch. Dies ist ein Vorschlag, mit dem wir uns auseinandersetzen sollten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir brauchen diese Vorgabe jetzt. Das wäre fair gegenüber den Unternehmen; denn im Jahr 2013 steht eine Vielzahl an Aufsichtsratswahlen an.

Wir müssen den Unternehmen jetzt sagen, worauf sie sich einrichten müssen, damit sie die Vorbereitungen treffen. Wer bis 2018  30 Prozent Frauen in den Gremien haben will, der muss sich jetzt sputen und die Suche beginnen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie das mal der Frau Ministerin! Die hört ja nicht einmal zu!)

Deshalb geht mein Appell, meine Ermunterung und meine Zusage dahin, alle Schritte, die in diese Richtung gehen, zu unterstützen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

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