Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Es ist also endlich so weit: Die erste Tranche der Insolvenzrechtsreform in dieser Legislaturperiode steht heute in zweiter und dritter Lesung an. Ich denke, wir haben damit ein Versprechen aus der ersten Lesung eingelöst. Wir haben damals versprochen, uns sehr genau die Anregungen und Argumente aus der Praxis anzuhören. Wir haben uns in der Tat in einen gründlichen Austausch mit Wissenschaft und Praxis begeben und noch etliche Änderungen aufgenommen, die zur Qualitätsverbesserung beigetragen haben.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Unter anderem haben wir eine praktikable Lösung zur Fehlerbeseitigung eingefügt. Wie schnell man so etwas brauchen kann, zeigt sich schon heute; denn wir wollen noch eine Kleinigkeit in der Beschlussempfehlung des Ausschusses korrigieren.
Wir setzen, wie schon der Titel des Gesetzentwurfs zeigt, einen starken Akzent auf die Sanierung. Neben dem primären Ziel, der Gläubigerbefriedigung, senden wir damit ein deutliches Signal für den Erhalt von Arbeitsplätzen, für den wirtschaftlichen Wert und aus meiner Sicht auch für die Qualifikation des Unternehmers, der in die Insolvenz geraten ist. Durch dieses Gesetz soll erreicht werden, dass der Unternehmer weiter wirtschaftlich erfolgreich tätig sein kann. Wir brauchen eine neue Insolvenzkultur, die auf Sanierung ausgerichtet ist. Eine ganz klare Botschaft dieses Gesetzes ist auch, dass demjenigen, der mit seinem Unternehmen oder privat insolvent wird, nicht automatisch das Vertrauen entzogen werden soll. Er darf nicht abgestempelt werden, sondern verdient eine neue Chance.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
Dass wir neben den Gedanken der Gläubigerbefriedigung den Sanierungsgedanken stellen, ist der vorläufige Höhepunkt einer langen Modernisierung des Insolvenzrechts. Ganz interessant ist ein aktueller Aufsatz von Professor Thole von der Universität Tübingen in der JZ. Darin wird ein Überblick über die Entwicklung des Insolvenzrechts gegeben, begonnen bei verschiedenen Methoden der Personalexekution in der Antike – Schuldturm, Ohrabschneiden – bis hin zu so beschämenden Strafen, dass jemand, der in der Insolvenz war, bei Hochzeiten oder Begräbnissen hinten bei den Frauen sein musste. Es war ein weiter Weg, bis man zwischen betrügerischen und glücklos handelnden Unternehmern unterschieden hat und es erste Ansätze der Schuldenbereinigung und Sanierung gab. Dies alles ist heute natürlich überwunden und weit weg, aber trotzdem schwingt dieses Stigma immer noch mit, wenn wir heute über Insolvenz sprechen. Dies wollen wir mit diesem Gesetz überwinden.
Die Fortentwicklung des Insolvenzrechts mit dem Sanierungsansatz war im europäischen Vergleich längst überfällig. Wir stärken damit den Insolvenzstandort Deutschland. Dabei haben wir einen etwas anderen Ansatz als die anderen europäischen Länder. Wir setzen in der vorhandenen Insolvenzordnung, also im vorhandenen Rechtsrahmen, neue wirksame Anreize für die Beteiligten, für die Gläubiger wie auch für den Schuldner, sich frühzeitig um eine Sanierung zu kümmern.
Die dazugehörigen Verfahren hat Kollege Ahrendt bereits genannt. Zum einen wird durch den vorläufigen Gläubigerausschuss dafür gesorgt, dass die Gläubiger mit ihrer Branchen- und Fachkenntnis zu einem deutlich früheren Zeitpunkt in das Verfahren einbezogen werden. Auf der anderen Seite gibt es das Schutzschirmverfahren.
Die Rolle der Gläubiger zu stärken, ist einer der Kernpunkte. Diese Stärkung muss sich bereits in einer sehr frühen Phase, schon bei der Auswahl des Insolvenzverwalters und bei den ersten grundlegenden Entscheidungen, auswirken. Denn die Gläubiger entscheiden darüber, ob es zu einer Sanierung kommt oder ob das Unternehmen liquidiert wird.
In Bezug auf den Gläubigerausschuss gibt es den Zielkonflikt, einerseits ein repräsentatives Gremium zusammenzustellen – das dauert seine Zeit – und andererseits schnell handlungsfähig zu sein. Deshalb haben wir für eine flexible Regelung gesorgt: Ab einer bestimmten Unternehmensgröße kann das Gericht einen vorläufigen Gläubigerausschuss vorgeben. Sollte schneller gehandelt werden müssen, gewährleistet die Regelung, dass zunächst ein Verwalter bestellt werden und die Anhörung des Gläubigerausschusses nachgeholt werden kann.
Weil es um Geld und um die Unabhängigkeit des Verwalters geht, war die Regelung, dass die Gläubiger bei einstimmigem Votum dem Gericht vorgeben können, welcher Verwalter bestellt wird, von besonderem Interesse. Herr Lischka, Sie haben hier zu bedenken gegeben, dass die Dominanz der Bankenvertreter dazu führen könnte, dass ein nicht objektiver, ein befangener Verwalter eingesetzt wird. Ich sehe diese Gefahr nicht. Wir haben ein repräsentativ zusammengesetztes Gremium mit dem Erfordernis der Einstimmigkeit. Das heißt, jeder Einzelne hat ein Vetorecht. Außerdem geht der Einfluss der Bankenvertreter in diesen Zeiten eher gegen null. Zudem professionalisieren sich die Gläubiger. Insbesondere die, die nicht gesichert sind, bilden Gläubigerschutzvereinigungen. Sie werden den Bankenvertretern daher auf Augenhöhe gegenüberstehen.
Ich sehe hier nur eine geringe Gefahr. Vielmehr sehe ich die Chance, mit den Gläubigern zu einer treffsicheren Auswahl des Verwalters zu kommen. Außerdem könnte sich unter den Verwaltern ein heilsamer Wettbewerb ergeben, indem sie sich daran messen: Wer schafft die beste Quote? Wer agiert am besten? Wer hat das fairste Verfahren? Genau das wollen wir erreichen.
Wir haben im Hinblick auf die Verwalterauswahl einige Tabuthemen angepackt. Es soll nicht so sein, dass jemand als Verwalter ausscheidet, nur weil er vom Schuldner oder Gläubiger lediglich genannt worden ist. Auch die bloße allgemeine Beratung soll nicht automatisch zur Annahme der Befangenheit führen. Ganz klar ist auch, dass sich das Gericht ohne Weiteres für einen anderen Verwalter entscheiden kann. Es braucht diese Entscheidung in der Regel noch nicht einmal zu begründen, es sei denn, der Gläubigerausschuss hat ihm das mit einstimmigem Votum vorgegeben. Ich habe diesbezüglich wirklich keine Bedenken. Ich kann das nicht nachvollziehen. Ich glaube, Sie heben das an dieser Stelle hervor, um überhaupt einen Grund zu haben, unserem Gesetzentwurf nicht zuzustimmen. Das ist Ihr einziger Kritikpunkt; alles andere haben Sie gelobt.
(Burkhard Lischka [SPD]: Nein! Es gibt noch mehr!)
Sie brauchen anscheinend das Haar in der Suppe.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Für den Schuldner – das wurde gerade ausgeführt – bieten wir mehr Berechenbarkeit und mehr Klarheit, auch nach außen hin. Er hat die Möglichkeit, weiterhin in Eigenverwaltung tätig zu sein, wenn sein Unternehmen saniert werden muss. Das gilt für den Zeitpunkt, wenn er in die Insolvenz geht und noch nicht zahlungsunfähig ist. In materieller Hinsicht wird dies durch den Debt-Equity-Swap ergänzt. Dieser erweitert die Möglichkeiten, einen Plan zu erstellen, deutlich. Er ist auch im internationalen Vergleich längst überfällig; er gehört längst in unsere Insolvenzordnung.
Insgesamt handelt es sich hier um einen Ansatz, der die Sanierung in das vorhandene Insolvenzrecht integriert. Das hat den Vorteil, dass man die Möglichkeiten des Insolvenzrechts für eine Sanierung nutzen kann, sei es die Nutzung des Insolvenzgeldes für die Arbeitnehmer oder die Anfechtung von zu teuren Liefer- oder Mietverträgen. Das sind die Dinge, die man braucht, um eine Sanierung überhaupt durchführen zu können, und das war aus meiner Sicht längst überfällig.
Ich weiß, dass auf internationalen Fachtagungen mit großem Interesse beobachtet wird, wie Deutschland dieses Verfahren implementiert. Ich bin überzeugt, dass wir damit den Unternehmen in Deutschland ein effizientes und sanierungsorientiertes Insolvenzrecht bieten.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Ein bisschen schade ist aus meiner Sicht, dass wir die Konzentration der Gerichte nicht durchgesetzt haben.
(Burkhard Lischka [SPD]: Nein! Das ist sehr gut!)
Mich hat die Begründung des Bundesjustizministeriums an dieser Stelle überzeugt. Ich finde es schade, dass wir diese Regelung herausgenommen haben.
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:
Kommen Sie bitte zum Schluss.
Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU):
Aber der Appell an die Länder bleibt. Sie können das trotzdem in eigener Verantwortung tun.
Schließen möchte ich mit dem Dank an das Justizministerium, den Berichterstatter der FDP, Herrn Ahrendt, und die anderen Kolleginnen und Kollegen. Ich denke, wir sollten uns motiviert an die nächste Stufe der Insolvenzrechtsreform begeben.
Danke schön.