Frau Präsidentin!
Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Das Thema der heutigen Debatte war bereits Thema in der 16. Wahlperiode. Die Anhörung dazu fand im November 2008 und die Debatte im Juni 2009 statt, zu der alle Fraktionen ihre Anträge vorgelegt hatten. In diesen Anträgen hatten wir in vielen Punkten Einigkeit, zum Beispiel über die Daten zur Gewalt gegenüber Frauen. Auch in den daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen waren die damaligen Anträge, aber auch das, was wir heute hier gehört haben, von weitgehender Übereinstimmung geprägt.
Verabschiedet haben wir im Juni dieses Jahres einen Antrag der Großen Koalition, der der Bundesregierung einen ausführlichen Katalog an Handlungs- und Prüfaufträgen aufgegeben hat. Vieles von dem, was wir damals verabschiedet haben, findet sich heute in den Anträgen wieder, die die Grünen und die Linken vorgelegt haben. Es geht darum, die Bundeszuständigkeit zu prüfen, vor allem aber auch Gespräche mit den Ländern zu führen, und zwar ganz konkret mit dem Ziel, die nachhaltige Finanzierung der Frauenhäuser zu verbessern, allen Frauen, unabhängig von ihrem wirtschaftlichen oder ausländerrechtlichen Status, den Zugang zu gewähren: unbürokratisch und barrierefrei. In diesem Beschluss sollten ausdrücklich auch die Vorgaben des CEDAW-Berichts beachtet werden.
Welchen Sinn macht es, heute wieder über dieses Thema zu debattieren? Es stellt sich die Frage, welche Halbwertzeit wir unseren eigenen Beschlüssen zumessen. Dass wir das Thema heute wieder auf die Tagesordnung setzen, hat den Vorteil, dass dieses wichtige Thema heute noch einmal zur Sprache gebracht wird und sich der neue 17. Bundestag Gedanken darüber macht, welche Prioritäten er der neuen Bundesregierung mit in diese junge Legislaturperiode geben will.
Aus Sicht der Union bleibt es bei der damaligen Einschätzung. Ein sehr wichtiges Anliegen ist für uns, den Frauen in dieser Situation noch besser zu helfen. Wir wollen dieses Ziel vor allem zusammen mit den Ländern erreichen. An den Anfang der Debatte möchte ich den Dank an die Organisationen stellen, die vor über 30 Jahren diesen Bedarf erkannt haben und die Frauenhäuser, die uns heute selbstverständlich erscheinen, sehr kreativ aufgebaut haben und – Frau Rupprecht hat es gerade geschildert – mit großem Einsatz ehrenamtlich tätig sind. Ohne sie könnten die betroffenen Frauen nicht die nötige Hilfe bekommen. Deshalb an dieser Stelle mein herzlicher Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)
Ich möchte aber auch betonen, dass die neue Regierung dieses Thema sofort wieder auf die Tagesordnung gesetzt hat. In den Koalitionsverhandlungen haben wir uns darauf geeinigt, eine Notfallnummer einzurichten. Realistisch ist die Umsetzung dieser Idee bis 2011. Es geht schließlich nicht nur um die Technik, sondern man muss dafür sorgen, dass am anderen Ende der Leitung jemand sitzt, der einer Frau in einer bedrohlichen Situation die richtige Auskunft geben kann, und zwar auch Auskunft über die Möglichkeiten des Gewaltschutzgesetzes, oder konkret das Frauenhaus nennen kann, das zuständig und erreichbar ist.
Noch einmal zurück zur Finanzierung. Die Vorrednerinnen haben schon Fälle geschildert, in denen die Kosten nicht oder nur nach einem hohen bürokratischen Aufwand getragen werden, sodass sich die Betreuerinnen darum kümmern müssen, anstatt sich um die traumatisierten Frauen kümmern zu können. Hier wird die Lösung teilweise in einer bundeseinheitlichen Regelung gesehen.
Zunächst stellt sich hier natürlich die Frage der Gesetzgebungskompetenz des Bundes, die nur unter sehr engen Voraussetzungen gegeben ist. Ich will hier jetzt gar nicht auf die Details des Verfassungsrechts eingehen, diese Zuständigkeit ist von den sachverständigen Juristen in der Anhörung zunächst einmal verneint worden. Auch die Länder sehen die Zuständigkeit ganz klar bei sich, und zwar unabhängig von den jeweiligen Parteien, die dort regieren. Über alle Grenzen hinweg sind die Länder der Meinung, dass das in ihre Zuständigkeit fällt.
Ich denke, wer das Heil in einer bundeseinheitlichen Lösung sucht, der unterliegt zwei Irrtümern:
Erstens. Bundesgesetze sind nicht immer automatisch besser als die Landesgesetze.
(Caren Marks [SPD]: Aber einheitlich!)
Wir hier im Bundestag sind nicht automatisch kompetenter als die Kolleginnen und Kollegen in den Landtagen. Die Länder haben die Problematik genauso erkannt wie wir. Sie haben auch den gleichen Willen, hier effektiv zu helfen, und sie haben sich auf der Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen, -minister, -senatorinnen und -senatoren der Länder in diesem Sommer auch dazu positioniert und zum Ausdruck gebracht, dass man hier Verbesserungen erreichen will.
Es ist auch deshalb richtig, dass es Ländersache ist, weil hier durchaus auch regionale Besonderheiten zu beachten sind. Die Versorgung mit Plätzen in Frauenhäusern ist nur ein Bestandteil eines umfassenden Konzepts. Andere Dinge kommen noch hinzu: Beratungsstellen, Zufluchtsstätten. Das kann von Land zu Land differieren, und auch der Bedarf ist unterschiedlich. Auch deshalb ist das bei den Ländern nicht schlecht aufgehoben. Die Länder würden auch nicht zustimmen, wenn wir hier ein Bundesgesetz erlassen würden. Hier sehe ich also nur wenig Spielraum.
Zweitens. Mit einer bundesgesetzlichen Regelung ginge nicht automatisch auch die Finanzierungslast auf den Bund über. Das heißt, das Problem, das wir damit lösen wollen, wäre gar nicht zu lösen, sondern die Länder wären weiterhin dafür zuständig, das Geld aufzubringen.
Damit liegt der Schwarze Peter aber bei weitem nicht nur bei den Ländern, sondern wir müssen hier schauen, was wir auf Bundesebene tun können, und zwar bitte an der richtigen Stelle. Das heißt, wir müssen die Leistungsgesetze, in denen steht, wer in welcher Situation etwas bekommt, „entrümpeln“ und daraufhin überprüfen, ob sie zielgenau auf den Bedarf dieser Frauen ausgerichtet sind.
Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII müssen vielleicht unbürokratischer gewährt werden, damit die Beantragung nicht so lange dauert, bis die Frau das Frauenhaus schon wieder verlassen hat. Hier brauchen wir Vereinfachungen. Wir sollten ebenfalls kritisch überprüfen, welche Regelungen wir im Ausländer- bzw. Aufenthaltsrecht vereinfachen können, um den entsprechenden Bedarf besser abdecken zu können. Hier sollten wir unsere Hausaufgaben machen, einiges vereinfachen und klarstellen.
Hinsichtlich der Finanzierung möchte ich noch ganz kurz auf einen Aspekt eingehen. Mir liegt daran, dass wir auch die Verantwortlichen, die Täter, in dem einen oder anderen Fall besser zur Finanzierung mit heranziehen. Frau Rupprecht hat gerade entsprechende Fälle geschildert, in denen durchaus zahlungskräftige Männer ihre Frauen in Situationen gebracht haben, in denen sie in Frauenhäuser gehen. Ich sehe überhaupt nicht ein, dass die Kosten dafür aus Steuermitteln aufgebracht werden müssen. Hier können wir durchaus auch an die Gewalttäter herangehen.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)
Ich denke, auf dieser Grundlage werden wir diese Anträge erneut beraten. Im Übrigen schließe ich mich den Wünschen für ein gutes und friedliches Weihnachtsfest an alle Kollegen an.
Vielen Dank.