Rede zur Aktionärsrechterichtlinie

Herr Präsident,
sehr geehrte Frau Ministerin,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir beraten heute zwei Gesetzentwürfe, die im engen Zusammenhang zu sehen sind. Lassen Sie mich zunächst auf den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG) eingehen. Mit der Umsetzung der „Richtlinie 2007/36/EG über die Ausübung bestimmter Rechte von Aktionären in börsennotierten Gesellschaften“ wird die grenzüberschreitende Information und Stimmrechtsausübung der Aktionäre erleichtert. Weitere Ziele des Gesetzentwurfs sind die Erhöhung der Hauptversammlungspräsenzen und eine Neuordnung der Einberufung. Außerdem ist eine Erleichterung der Stimmrechtsvertretung durch die Banken vorgesehen sowie die Konkretisierung und Beschleunigung des Freigabeverfahrens, um sogenannten „räuberischen Aktionären“ das Handwerk zu legen. In diesem Zusammenhang werde ich später auch auf den Gesetzentwurf des Bundesrates zur Einführung erstinstanzlicher Zuständigkeiten des Oberlandesgerichts in aktienrechtlichen Streitigkeiten zu sprechen kommen. Doch zunächst zum ARUG:

Der Entwurf soll das deutsche Aktienrecht insgesamt weiter modernisieren und deregulieren. Diese Zielsetzung begrüße ich ganz ausdrücklich, denn gerade mit Blick auf die weltweite Krise der Finanzmärkte stärkt ein modernes und gut praktikables Aktienrecht den Finanzplatz Deutschland und ist ein wichtiger Standortfaktor für die deutsche Wirtschaft.

Zu den Regelungen im Einzelnen:

Ein wichtiger Punkt sind die geplanten Maßnahmen gegen missbräuchliche Aktionärsklagen. Der Frankfurter Rechtswissenschaftler Theodor Baums geht von derzeit ca. 40 sogenannten „Berufsklägern“ in Deutschland aus, die sich den Umstand zu nutze machen, dass die Eintragung eines Hauptversammlungsbeschlusses in der Regel ausgesetzt wird, wenn er mit einer Klage angefochten wird. Klagebefugt ist jeder Aktionär, selbst wenn er nur eine einzige Aktie besitzt. Hat die Hauptversammlung eine Umstrukturierung oder Kapitalerhöhung beschlossen, muss diese bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage auf Eis gelegt werden. Um das Unternehmen nicht über Monate oder gar Jahre zu lähmen, kaufen die Gesellschaften den Aktionären die Klagen regelrecht ab.

Bereits 2005 sind mit dem Gesetz zur Unternehmensintegrität und zur Modernisierung des Anfechtungsrechts – kurz UMAG – erste Regelungen zur Bekämpfung speziell dieses Phänomens eingeführt worden. Neue wissenschaftliche Studien belegen zwar, dass die im Rahmen des UMAG eingeführten Einzelmaßnahmen Wirkung zeigen; in Anbetracht der weiterhin und zahlenmäßig sogar noch vermehrt auftretenden Missbrauchsfälle ist es aber unerlässlich, insbesondere die Freigabeverfahren fortzuentwickeln und zu präzisieren. Denn auch bis zum Abschluss des als Eilverfahren gedachten Freigabeverfahrens über zwei Instanzen können derzeit leicht sechs und mehr Monate vergehen, in denen das Unternehmen handlungsunfähig bleibt.

Der Gesetzentwurf sieht daher vor, das Freigabeverfahren weiter zu beschleunigen. Nach der Entscheidung in erster Instanz soll das Verfahren in der Regel beendet sein. Eine Beschwerde gegen die erstinstanzliche Entscheidung soll es nur dann geben, wenn der Richter diese wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen hat.

Die grundsätzliche Beschränkung des Freigabeverfahrens auf eine Instanz findet allgemein Zustimmung. Allerdings gibt der Bundesrat zu bedenken, die Ansiedlung der Verfahren beim Landgericht sei nicht effektiv. Hierdurch werde die Gefahr begründet, dass sich Hauptsache- und Freigabeverfahren gegenläufig entwickelten. Das Risiko für die Unternehmen, dass das Landgericht im Freigabeverfahren eine Rechtsfrage anders beurteile als das Oberlandesgericht in der Hauptsache, spiele unmittelbar in die Hände der Berufskläger, die sich diese Rechtsunsicherheit zur Durchsetzung ihrer eigenen finanziellen Interesse zunutze machen könnten. In seinem Gesetzentwurf zur Einführung erstinstanzlicher Zuständigkeiten des Oberlandesgerichts in aktienrechtlichen Streitigkeiten fordert der Bundesrat daher eine Verlagerung der Eingangszuständigkeit in Freigabe- und Hauptsacheverfahren auf die Oberlandesgerichte. Die Bundesregierung lehnt diesen Vorschlag ab mit der Begründung mangelnden Rechtsschutzes für die Aktionäre. Einzelne Verbände fordern hingegen, lediglich das Freigabeverfahren bei jeweils einem, auf diese Verfahrensart spezialisiertem OLG eines Bundeslandes anzusiedeln. Nur so könne ein effektiver Rechtsschutz gewährleistet werden. Welche Lösung hier letztlich überzeugt, werden die Ausschussberatungen zeigen.

Als weitere Maßnahme zum Schutz gegen räuberische Aktionäre sieht das ARUG die Einführung eines Bagatellquorums im Freigabeverfahren vor. Dieses Quorum soll nicht die Klagebefugnis des Kleinaktionärs abschneiden, sondern lediglich seine Möglichkeiten eine Freigabe zu verhindern beschränken. Ein Aktionär soll künftig seit Bekanntmachung der Einberufung zur Hauptversammlung Aktien zu einem Nennwert von mindestens 100 € halten, um eine Freigabe aufhalten zu können. Der Bundesrat bezweifelt die Effektivität eines Quorums von 100 Euro Nennbetrag und schlägt stattdessen vor, das Quorum ggf. anstelle einer absoluten Grenze nur als ein Element der Abwägung im Rahmen der Feststellung des vorläufigen Vollzugsinteresses auszugestalten. Die Bundesregierung hat bereits zugesagt, diesen Vorschlag im weiteren Verfahren zu prüfen; ich denke, auch wir werden im Parlament, im Rechtsausschuss, diesen Punkt noch ausführlich diskutieren.

Ein weiterer Schwerpunkt des ARUG befasst sich mit dem Einsatz Neuer Medien. Aktiengesellschaften sollen diese bei Vorbereitung und Durchführung der Hauptversammlung in weitaus größerem Umfang nutzen können als bisher. So sollen Aktionäre künftig „online“ an Hauptversammlungen teilnehmen können, was die Präsenz in Hauptversammlungen deutlich erhöhen und Beschlüsse auf eine breitere Basis stellen hilft. Gleichzeitig wird auch die Abstimmung durch Briefwahl ermöglicht. Insgesamt soll die grenzüberschreitende Information und Stimmrechtsausübung erleichtert werden.

Eine Vereinfachung für die Unternehmen dürfte auch die Reform sämtlicher Fristen im Vorfeld der Hauptversammlung bedeuten, die künftig alle nach dem gleichen Schema berechnet werden. Die bisherige Fristenregelung war nur schwer zu handhaben und hat immer wieder zu prozessualen Auseinandersetzungen geführt.

Als weitere Punkte soll das sog. Depotstimmrecht der Banken vereinfacht und flexibilisiert werden, wodurch es für Aktionäre attraktiver werden dürfte, eine Bank zur Stimmrechtsvertretung zu bevollmächtigen.

Schließlich soll bei der Sachgründung künftig auf eine externe Werthaltigkeitsprüfung z. B. von Wertpapieren und Geldmarktinstrumenten, die auf einem geregelten Markt gehandelt werden, verzichtet werden, wenn diese mit dem Durchschnittskurs der letzten drei Monate bewertet werden, was den Verwaltungsaufwand der Unternehmen erheblich verringert.

Insgesamt enthält der vorliegende Entwurf zum ARUG viele gute Maßnahmen zur Deregulierung und Vereinfachung des Aktienrechts; beide Gesetzentwürfe machen unterschiedliche Vorschläge zur Eindämmung missbräuchlicher Anfechtungsklagen. Was einzelne Details angeht, werden wir sicherlich in den anstehenden Ausschussberatungen über einige Fragen noch einmal intensiver sprechen müssen und nachprüfen, ob die Ziele der Entwürfe mit den vorgesehenen Regelungen auch erreicht werden können. In ihrer Gegenäußerung zum ARUG ist die Bundesregierung dem Bundesrat in Einzelfragen ja bereits entgegengekommen. Ich halte einige Einwände und Vorschläge des Bundesrates und verschiedener Fachverbände durchaus für berechtigt; hier werden wir genauer nachprüfen müssen.

Vielen Dank.

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