Der Kinderzuschlag wird neu gestaltet, und er wird ausgeweitet

Frau Präsidentin!
Meine sehr verehrten Kollegen und Kolleginnen!
 
Wir debattieren heute über einen Antrag, den die Linke-Fraktion schon vor anderthalb Jahren fast wort- und inhaltsgleich eingebracht hat, aber ohne Er­folg. Der federführende Familienausschuss hat schon da­mals mit einer breiten Koalition aller Parteien
 
(Diana Golze [DIE LINKE]: Das Nichtstun beschlossen! Genau!)
 
diesen Antrag abgelehnt. So wurde es vom Parlament im Zusammenhang mit der Debatte über den Zwölften Kin­der- und Jugendbericht beschlossen.
 
(Dr. Gregor Gysi [DIE LINKE]: Ja, was haben Sie dagegen gemacht?)
 
Sie haben wahrscheinlich nicht zur Kenntnis genommen, mit welchen abstrusen Forderungen Sie an den Bundes­tag herantreten.
 
(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Genau, unfinanzierbar!)
 
Sie wärmen das Ganze nun noch einmal auf, wahr­scheinlich mit dem gleichen Erfolg. Das prognostiziere ich Ihnen.
 
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord­neten der FDP)
 
Eigentlich reichte es, Ihnen die Protokolle von damals zum Lesen zu geben,
 
(Diana Golze [DIE LINKE]: Wenn Sie Ihren Ko­alitionsvertrag mal ernst nehmen würden!)
 
anstatt eine Stunde bester Debattenzeit mit einem sol­chen abstrusen Antrag zu verbringen.
 
(Dr. Gregor Gysi [DIE LINKE]: Dann setzen Sie sich doch einfach wieder hin! – Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Jawohl, Zeitver­schwendung!)
 
Es ist Fakt, dass in Deutschland zu viele Kinder und Jugendliche in Armut leben. Wir alle hier im Haus neh­men die Aufgabe sehr ernst, hier zu Verbesserungen zu kommen sowie allen Kindern ein gesundes Aufwachsen und Chancengleichheit bei Bildung und Ausbildung zu garantieren.
 
(Diana Golze [DIE LINKE]: Das sieht man!)
 
Aber Fakt ist auch, dass das nicht geht, wenn man ein­fach voraussetzungslos Transferleistungen gewährt und diese ständig erhöht. Mehr Geld für arme Kinder, das ist eine zutiefst populistische Forderung. Gerade die Väter und Mütter, die morgens aufstehen und ihre Kinder in eine Betreuungseinrichtung bringen, bevor sie zur Arbeit gehen, Geld verdienen, Steuern zahlen und 154 Euro Kindergeld bekommen,
 
(Katrin Kunert [DIE LINKE]: Die anderen würden auch gerne früh aufstehen!)
 
werden wenig Verständnis haben, wenn sie Ihre Forde­rung nach 420 Euro pro Monat – das bezeichnen Sie als sozioökonomisches Existenzminimum – finanzieren sol­len.
 
Zu den Kosten und der Finanzierbarkeit sagen Sie weder im ersten noch im zweiten Aufguss Ihres Antrags ein Wort. Nun hat Herr Gysi eben gesagt, woher er das Geld nehmen will. Sie wollen zusätzlich 120 Milliarden Euro Steuereinnahmen generieren. Wir haben gerade ge­rechnet und festgestellt, dass das ungefähr 1 500 Euro pro Person sein müssten.
 
(Dr. Gregor Gysi [DIE LINKE]: Nein! Nicht pro Person!)
 
Woher soll das denn kommen? Wie viele Firmen werden Sie damit aus Deutschland vertreiben?
 
(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Genau! Völlig richtig!)
 
Wie viele Familienväter werden ihren Arbeitsplatz ver­lieren, wenn die Unternehmen ins Ausland gehen, weil sie dort billiger produzieren können?
 
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
 
Es wurde bereits gesagt, dass Kinderarmut immer da­mit einhergeht, dass Eltern zu wenig verdienen. Es ist ebenfalls gesagt worden, dass die Eltern in die Lage ver­setzt werden müssen zu arbeiten.
 
(Ina Lenke [FDP]: 19 Prozent Mehrwert­steuer! Von der CDU mitbeschlossen!)
 
Sie brauchen Infrastruktur und mehr Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Hier haben wir schon weitreichende Schritte unternommen und gute Erfolge vorzuweisen.
 
Ganz wichtig ist in diesem Zusammenhang das Phä­nomen der vererbten Armut. Es ist gefährlich, wenn Kin­der es als normal erleben, dass die Familie von Transfer­leistungen lebt, dass Eltern dauerhaft nicht arbeiten. Das führt dazu, dass Kinder das für sich als Lebensmodell übernehmen. Der Leiter der Hamburger Arche hat eine junge Frau mit den Worten zitiert: Ich habe mehr Angst vor der Arbeit als vor der Arbeitslosigkeit. – Das ist eine ganz symptomatische Äußerung, die zeigt, dass hier die sozialen Kompetenzen für die Teilnahme am Arbeits­markt verloren gehen und dass es notwendig ist, diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Wenn wir das nicht errei­chen, dann perpetuieren wir diese Leistungen ad infini­tum und schaffen uns im Prinzip die nächste Generation, die genauso leben und das weitergeben wird. Das kann ja wohl nicht das Ziel unserer Sozialpolitik sein. Es ent­spricht jedenfalls nicht unserem Menschenbild in der Politik.
 
(Beifall bei der CDU/CSU – Diana Golze [DIE LINKE]: Dann stimmen Sie doch unse­rer Mindestlohnforderung zu!)
 
Deshalb ist es so wichtig, hier Anreize zur Aufnahme von Arbeit zu schaffen, und deshalb muss es einen Un­terschied machen, ob die Erwachsenen wenigstens ihren Bedarf aus eigener Arbeit decken können. Niemand, der seinen eigenen Bedarf selber deckt, soll nur deshalb ALG II beziehen müssen, weil er Kinder hat. Da setzt der Kinderzuschlag an; mit ihm soll der zusätzliche Be­darf gedeckt werden.
 
Wir tun doch auch etwas. Die Befristung haben wir schon aufgehoben. Als Nächstes geht es um die Auswei­tung,
 
(Diana Golze [DIE LINKE]: Wann? Das ist die große Frage!)
 
damit mehr Familien davon profitieren können. Wir pei­len an, dass dann bis zu 550 000 Kinder davon profitie­ren können. Wenn das Geld, das ja immer fehlt, dafür schon einmal zur Verfügung steht, dann können Sie eine gewisse Hoffnung haben, dass auch die entsprechende Regelung bald kommen wird.
 
(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Ge­nauso ist es! Das Geld ist eingeplant!)
 
Das Familienministerium hat bereits ein Konzept dazu vorgelegt; das kennen Sie alle. Sie wissen, dass viele, ei­gentlich alle entscheidenden Punkte, die auch hier ge­nannt worden sind, darin enthalten sind. Jetzt geht es da­rum, das intern mit dem Bundesarbeitsministerium abzustimmen.
 
Ich freue mich, dass wir den früheren Bundesarbeits­minister in den Kreis der Familienpolitiker aufnehmen konnten. Vielleicht führt das dazu, dass alles noch etwas konstruktiver und schneller vonstatten geht. Ich bin opti­mistisch, dass wir hier zu einem guten Konzept kom­men, das genau diesen Arbeitsanreiz setzt.
 
(Beifall bei der CDU/CSU)
 
Unabhängig davon möchte ich noch einmal sagen: Es muss selbstverständlich sein, dass in Deutschland das Existenzminimum des Kindes sichergestellt ist. Wo El­tern nichts verdienen, geschieht das in Deutschland durch Sozialgeld und Wohngeld. Über die Höhe werden wir uns dieses Jahr noch unterhalten, wenn der neue Be­richt zum Existenzminimum vorgelegt wird. Man kann, glaube ich, ohne die Sphinx zu sein, voraussagen, dass das Existenzminimum heraufgesetzt wird. Aber 420 Euro wird es mit Sicherheit nicht erreichen. Das ist schlicht­weg utopisch.
 
Wenn das Existenzminimum erhöht wird, werden da­von alle Familien profitieren; denn das macht sich beim Freibetrag, beim Kindergeld und beim Sozialgeld be­merkbar. Aber für den Kinderzuschlag, der ja zusätzlich gegeben wird, muss weiterhin Beschäftigung ein Krite­rium sein.
 
Vielleicht muss man die schematische Berechnung, die 60 Prozent für Kinder und 80 Prozent für Jugendli­che vorsieht, noch einmal überdenken. Ich weiß, was Kinder, wenn sie wachsen, am Tag so alles verputzen und wie viele Klamotten sie brauchen. Deshalb ist die Rechnung vielleicht zu schematisch und noch einmal zu überdenken. Aber es bleibt dabei: Wir müssen Anreize zur Arbeitsaufnahme schaffen. Eine Megasozialleistung nach Ihrem Stil, die Sie nur mit „Kinderzuschlag“ etiket­tieren, wird es in diesem Sinne nicht geben.