Sehr geehrter Herr ……..,
Ich möchte die Gelegenheit nutzen, die Intention des Gesetzgebers zu den Regelungen zum Kindesunterhalt zu verdeutlichen: Bei der Rangfolge im Unterhaltsrecht steht die Wahrung von Unterhaltsansprüchen minderjähriger Kinder an vorrangiger Stelle und wurde gesetzlich entsprechend postuliert. Minderjährige Kinder sind bei Trennung besonders schutzbedürftig. Um ihren Unterhalt sicherzustellen, müssen ihre Eltern besonders große Anstrengungen unternehmen. Sie müssen alle verfügbaren Mittel (§ 1603 Abs. 2 BGB) für den Unterhalt der Kinder aufwenden und dürfen nur für sich selbst behalten, was unbedingt notwendig ist. Das ist nach der Düsseldorfer Tabelle ein Betrag von derzeit 1.080 Euro als Richtwert. Dieser Betrag wurde mit den Jahren immer wieder an die Lebensrealität und die Lebensumstände Unterhaltspflichtiger angepasst und entsprechend erhöht. Der sogenannte Selbstbehalt legt pauschal fest, wie viel Geld dem Unterhaltszahlenden in jedem Fall zur Deckung der eigenen Bedürfnisse erhalten bleiben muss. Nur die Einkünfte, die über diesem Selbstbehalt liegen, müssen also in den Unterhalt fließen. Große Sprünge sind mit diesem Betrag natürlich nicht möglich.
Das Zerbrechen einer Ehe ist für eine Familie nicht nur emotional belastend, sondern hat eben auch mitunter schwerwiegende rechtliche und finanzielle Folgen. Während die Beziehung noch besteht, machen sich viele Menschen kaum Gedanken über mögliche wirtschaftliche Konsequenzen. Nach der Trennung besteht zumeist der zentrale Wunsch aller Eltern, ihre Kinder bestmöglich zu versorgen – auch Sie schildern dies anschaulich. Andererseits wirkt sich die monatliche Unterhaltszahlung in vielen Fällen stark auf die finanzielle Situation aus. Die gesetzlichen Unterhaltsregelungen werden aber in erster Linie im Sinne der zu versorgenden Kinder getroffen.
In Ausnahmefällen, wenn nur der notwendige Selbstbehalt zum Leben bleibt und der Umgang mit den Kindern möglicherweise ausfallen müsste, weil z.B. die Anreise nicht finanziert werden kann, kann entweder der Selbstbehalt angemessen erhöht werden oder es ist ausnahmsweise erlaubt, die Kosten des Umgangs vom Einkommen abzuziehen. Diesbezüglich müssten Sie sich anwaltlich beraten.
Zu Ihrer fundamentalen Kritik am Ehegattensplitting möchte ich folgendes anmerken: Das Ehegattensplitting entlastet gerade dort, wo Kinder vorhanden sind und einer der Partner deshalb seine Berufstätigkeit zugunsten der Betreuung einschränkt. Die Entlastung wirkt insbesondere auch in den unteren Gehaltsgruppen und verhindert in vielen Haushalten das Abrutschen in Hartz IV. Dort, wo keine Kinder (mehr) zu versorgen sind, sind heutzutage die meisten Ehepaare beiderseits berufstätig mit der Folge, dass das Ehegattensplitting dann ohnehin weitgehend seine Wirkung verliert. Das bedeutet, dass die 20 Mrd. € im wesentlichen Familien zugute kommen, die es in der Phase ihres Zusammenlebens auch gerade gut gebrauchen können. Im Falle der Trennung tritt an Stelle des Ehegattensplittings das Realsplitting ein, das auch zu entsprechender steuerlicher Entlastung beiträgt.
Mir ist bewusst, dass mein Schreiben für Ihre persönliche Situation wenig tröstlich sein wird, aber Sie können zumindest stolz auf sich sein, dass Sie nicht zu den Vätern gehören, die sich den Zahlungen und dem Umgang entziehen. Dass Sie für Ihre Kinder da sind, auch mit wenig Geld, ist für ihre Entwicklung wichtig. Ich bin sicher, dass Ihre Kinder es Ihnen danken.
Freundliche Grüße
Elisabeth Winkelmeier-Becker