Sehr geehrter …
danke für Ihre Anfrage mit der Bitte um eine Stellungnahme zum gesundheitsgefährdenden Nachtfluglärm. In meinem Wahlkreis (Rhein-Sieg) sind zahlreiche Bürger mit dem Flugbetrieb und dem Airport Köln/Bonn auf die eine oder andere Weise „verbunden“ - mit Arbeitsplätzen und Flugmöglichkeiten, aber eben auch mit zum Teil massiven Beeinträchtigungen vor allem durch Fluglärm.
Der uneingeschränkte Nachtflugbetrieb des Airports Köln/Bonn ist nach meiner Überzeugung nicht hinnehmbar. Hier müssen wir zu einem fairen Interessenausgleich kommen.
Mir bestätigt der ständige Informationsaustausch mit den Verantwortlichen der Fluglärmkommission, den Bürgervereinigungen zum Schutz vor Fluglärm, mit Ärzten in der Region und der Kontakt mit den in meinem Wahlkreis vom Fluglärm betroffenen Menschen dabei immer wieder, dass der Nachtfluglärm erhebliche Gesundheitsgefahren mit sich bringt. Ich selber wohne in der Siegburger Nordstadt, weiß also aus eigenem Erleben, worum es in dieser Frage geht.
Eine Vielzahl von Studien u.a. von der WHO, dem Umweltbundesamt, der EU, Umweltorganisationen, Universitäten und Instituten zeigen, welche Krankheiten nächtlicher Fluglärm auslösen kann. Inzwischen ist belegt, dass Fluglärm, insbesondere in der Nacht, für gesundheitliche Erkrankungen der Anwohner wie Bluthochdruck, Herzschwäche oder Depressionen verantwortlich sein kann. Unbestritten sind in diesem Kontext auch die positiven Auswirkungen eines Nachtflugverbots, so wie es bei den meisten deutschen Flughäfen – nicht aber am Flughafen Köln/Bonn – der Normalfall ist. Seit vielen Jahren setze ich mich für Lärmschutz und ganz konkret für ein Nachtflugverbot – wenigstens für Passagierflüge – am Flughafen Köln/Bonn ein.
Am Airport Köln/Bonn sollte bereits unter dem damaligen SPD-Ministerpräsidenten Clement als Ausgleich für das vermehrte Aufkommen beim Frachtflugverkehr ein Verbot für Passagiernachtflüge erlassen werden. Seither hat keine Landesregierung in welcher politischen Konstellation auch immer eine konsequente Umsetzung dieses im Landtag beschlossenen politischen Ziels betrieben.
Ziel meiner Bemühungen war und ist es, zumindest das Passagiernachtflugverbot in der Kernnacht für Köln/Bonn zu erreichen und jede mögliche aktive oder passive, technische oder wirtschaftliche Verbesserung zum Schutz vor Fluglärm einzufordern. Deshalb habe ich gemeinsam mit Interessenvertretern gegen Fluglärm u.a. mehrmals im Bundesverkehrsministerium vorgesprochen, um dort die gesundheitliche und auch politische Bedeutung des Lärmschutzes klar zu machen. Außerdem bringe ich diesen Aspekt immer wieder in Beratungen zu Wahlprogrammen oder Koalitionsvereinbarungen ein - ein ziemlich dickes Brett, was dort immer wieder zu bohren ist.
In der CDU/CSU Bundestagsfraktion bündeln wir die Thematik im Gesprächskreis Fluglärm, einem Zusammenschluss von Abgeordneten, die in oder bei ihren Wahlkreisen mit den Auswirkungen von Fluglärm konfrontiert sind. Der Gesprächskreis dient dem Meinungs- und Informationsaustausch von Abgeordneten untereinander sowie mit Bürgern, Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung sowie Vertretern von Fluglärmkommissionen. Gemeinsam wollen wir dem Fluglärmschutz in der Abwägung gegenüber wirtschaftlichen Interessen das nötige stärkere Gewicht verleihen. In zahlreichen Diskussionen mit Vertretern der mit Fluglärm befassten Bürgervereinigungen, mit Vertretern der Airlines, Flughafenbetreibern, Wissenschaftlern und der Politik haben wir uns auf Forderungen verständigt, die wir zum Schutz von Betroffenen in den Vordergrund unseres Handelns rücken:
- Ebenso wie für Straßen- und Schienenlärm, so sollten auch für Fluglärm verbindliche Lärmgrenzwerte festgelegt werden. Hierzu bedarf es einer entsprechenden Ergänzung des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG).
- Die für neue Flughäfen festgesetzten, niedrigeren Lärmtoleranzwerte für Tag- und Nachtbetrieb müssen auch für die (älteren) Bestandsflughäfen, darunter der Flughafen Köln/Bonn, übernommen werden. Hier darf nicht mit zweierlei Maß zu Lasten der Gesundheit von Flughafenanwohnern gemessen werden.
- Das (in Anlage zu § 3 des Fluglärmgesetzes festgelegte) Berechnungsverfahren für Fluglärm sollte dahingehend geändert werden, dass das Einzelschallereignis genauso wie der Durchschnittspegel (verstanden als Durchschnitt aller tatsächlich stattgefundenen Einzelschallereignisse) nachvollziehbar gewichtet werden kann.
- Bei der Festlegung von Flugrouten müssen Bevölkerung und Träger öffentlicher Belange besser eingebunden werden. Planungen für Flugrouten müssen parallel zum Planfeststellungsverfahren erarbeitet und vorgestellt werden.
- Die Fluglärmkommissionen sollen gestärkt werden. Insbesondere müssen Anrainer-Kommunen leichteren Zugang zu den Gremien haben.
- Die Berichtspflicht der Bundesregierung (aus § 2 Abs. 3 des Fluglärmgesetzes) ist dahingehend zu ändern, dass nach 2017 alle drei Jahre dem Deutschen Bundestag ein Bericht über die Entwicklung der Fluglärmbelastung vorzulegen ist. Dieser Bericht soll auch die normierten Grenzwerte sowie den aktuellen Stand der Lärmwirkungsforschung, der Flugtechnik sowie der Lärmvermeidungsforschung enthalten.
- Sollte die im Jahre 2011 eingeführte Luftverkehrsabgabe abgeschafft werden, so darf dies nur unter der Maßgabe geschehen, dass die Airlines verpflichtet werden, einen Teil ihrer Einsparungen (mindestens 50 %) in lärmmindernde Maßnahmen (etwa Umrüstung älterer Maschinen) zu investieren. Das Durchschnittsalter der Flugzeugflotten sollte in den nächsten Jahren signifikant sinken.
- Bezüglich der Ausgestaltung ihres Entgeltsystems sind die Flughäfen aufgefordert, den Lärmaspekt stärker zu berücksichtigen. Insbesondere müssen sich Start- und Landeentgelte in den Randzeiten (eine Stunde vor und nach einem Nachtflugverbot) der Höhe nach deutlich von den Entgelten zu den übrigen Tageszeiten unterscheiden. Der Flughafen Köln/Bonn hat an dieser Stelle ja kürzlich erst nachgelegt, damit aber m.E. noch nicht den Spielruam ausgeschöpft.
- Wesentlicher und entscheidender Ansatzpunkt ist die Lärmvermeidung an der Quelle. Im Bereich des Triebwerkbaus sind hier in den letzten Jahren und Jahrzehnten erhebliche Fortschritte erzielt worden. Die Flugzeugbauer sollten weiter ermuntert werden, neben Einsparungen beim Treibstoffverbrauch auch weiterhin konsequent an der Reduzierung der Lärmentstehung am Fluggerät zu sorgen.
- Insgesamt gilt, dass die Akzeptanz von Flughäfen in der jeweiligen Region stark von der Kommunikation und Transparenz der Betreibergesellschaften abhängt. Offene Dialogforen mit Bürgerinitiativen, Fluggesellschaften und weiteren am Prozess Beteiligten können hierfür passende Formate sein.
Mit freundlichen Grüßen
Elisabeth Winkelmeier-Becker