Antwort auf eine Eingabe zu Kritik am Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG)

Sehr geehrte/r Herr/Frau …,

vielen Dank für Ihre Zuschrift vom […], mit der Sie Kritik am Netzwerkdurchsetzungsgesetz zum Ausdruck bringen.

Mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG), das zum 1. Oktober 2017 in Kraft getreten ist, hat der Gesetzgeber darauf reagiert, dass sich große soziale Netzwerke im Internet in der Vergangenheit nur unzureichend an die Vorgaben des deutschen Rechts, strafbare Inhalte unverzüglich nach Kenntnis zu löschen, gehalten haben.

Das Vorgehen von Unternehmen wie Facebook, Twitter oder Youtube bei der Löschung von Inhalten war bisher von ihren geschäftlichen Erwägungen sowie vom US-amerikanischen Recht geprägt, entsprach aber häufig nicht dem deutschen Recht: Auf der einen Seite wurden Einträge gelöscht, die nach deutschem Recht zulässig sind. Auf der anderen Seite haben Internetplattformen in der Vergangenheit in zahllosen Fällen bei Inhalten nicht reagiert, die nach unserem deutschen Strafrecht eindeutig verboten sind, beispielsweise im Fall von Beleidigungsdelikten, Holocaustleugnung oder auch Kinderpornografie. Die Opfer solcher Taten waren bisher oftmals selbst in eindeutigen Fällen praktisch rechtlos gestellt – so war für sie weder erkennbar, an welche Stelle man sich wenden kann, um Löschung zu verlangen, noch bestand ein durchsetzbarer Anspruch auf Herausgabe von vorhandenen Hinweisen auf die Identität des Täters. Auch eine gerichtliche Abhilfe oder Anspruchsdurchsetzung waren daher praktisch nicht möglich.

Wie problematisch es ist, wenn das soziale Netzwerk nicht reagiert, mögen folgende Beispiele deutlich machen: Wenn ein Unfallopfer oder eine gemobbte Schülerin gegen ihren Willen fotografiert werden, um sie im Internet bloßzustellen, so muss der Eintrag schnell gelöscht werden, um die Rechtsverletzung zu stoppen. Oder denken Sie an eindeutige Gewaltaufrufe zu einem Angriff auf eine Person oder auf eine Synagoge; dem Schutz der Opfer wird es nicht gerecht, wenn es dann allein auf die Möglichkeit einer Anzeige gegen unbekannt verwiesen wird. Bei solchen Fällen setzt das Netzwerkdurchsetzungsgesetz an: Es geht darum, auch gegenüber marktmächtigen Plattformen sowie gegenüber anonymen Tätern die Akzeptanz und Einhaltung der deutschen Strafgesetze durchzusetzen.

Auch global agierende Internetunternehmen wie Facebook, Youtube oder Twitter müssen sich an unsere Rechtsordnung halten, wenn sie ihre Dienstleistungen in Deutschland anbieten. Dabei gilt für Internetprovider schon seit langem die Regel, dass sie rechtswidrige Inhalte entfernen oder sperren müssen, sobald sie Kenntnis von dem rechtswidrigen Inhalt oder von Tatsachen und Umständen haben, aus denen der rechtswidrige Inhalt offensichtlich wird. Mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz soll dieser Regel stärker Nachdruck verliehen werden.

Es trifft dabei aber nicht zu, dass durch das Netzwerkdurchsetzungsgesetz die Verantwortung, die Inhalte Dritter zu entfernen, auf private Unternehmen verlagert werden soll. Es ist vielmehr ein allgemeines Prinzip unserer Rechtsordnung, dass jeder, der einen „Marktplatz“ eröffnet, unter bestimmten Voraussetzungen auch für die Rechtmäßigkeit der dort stattfindenden Handlungen verantwortlich ist. So ist etwa ein Zeitungsverleger oder -redakteur dafür verantwortlich, wenn in der Leserbriefrubrik der Zeitung strafbare Inhalte veröffentlicht werden und sie ihrer Prüfungspflicht nicht genügt haben.

Vor diesem Hintergrund umfasst das Netzwerkdurchsetzungsgesetz im Wesentlichen die folgenden Regelungen:

· Betreiber von sozialen Netzwerken im Internet werden ab dem 1.1.2018 verpflichtet, ein leicht erkennbares, erreichbares und ständig verfügbares Verfahren für Beschwerden über strafbare Inhalte bereitzuhalten. Diese Pflicht gilt für alle sozialen Netzwerke mit mindestens zwei Millionen registrierten Nutzern in Deutschland. Zu den Straftatbeständen, auf die sich das Netzwerkdurchsetzungsgesetz bezieht, gehören u.a. Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Schriften, Beleidigungsdelikte, Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen, Bedrohung oder Volksverhetzung.

· Die Mitarbeiter des sozialen Netzwerks, die mit der Bearbeitung von Beschwerden befasst sind, müssen regelmäßige Schulungsangebote erhalten. Zudem muss die Unternehmensleitung den Umgang mit Beschwerden monatlich kontrollieren und etwaige organisatorische Unzulänglichkeiten beseitigen.

· Eingehende Beschwerden müssen unverzüglich zur Kenntnis genommen und die betreffenden Inhalte auf ihre Rechtswidrigkeit hin geprüft werden. Sofern ein geposteter Inhalt offensichtlich strafbar ist, muss dieser innerhalb von 24 Stunden nach Eingang der Beschwerde gelöscht werden. In Fällen, in denen die Strafbarkeit weniger eindeutig ist, muss der Inhalt in der Regel innerhalb von sieben Tagen nach Eingang der Beschwerde gelöscht werden, es sei denn, dass die Prüfung der Rechtswidrigkeit weitere Ermittlungen, etwa die Einholung einer Stellungnahme des betroffenen Nutzers, erfordert.

· Wichtig ist: Als CDU/CSU-Bundestagsfraktion haben wir dafür gesorgt, dass die sozialen Netzwerke die Entscheidung über die Rechtswidrigkeit einer Einrichtung der freiwilligen Selbstkontrolle überantworten können. Hier entscheidet dann ein unabhängiges und sachkundiges Fachgremium, zudem gibt es eine Beschwerdestelle, an die sich Nutzer wenden können, deren Post gelöscht wurde. Diese Regelungen sind an das System der sogenannten regulierten Selbstregulierung angelehnt, wie es aus dem Jugendmedienschutz bekannt und bewährt ist.

· Die sozialen Netzwerke müssen zudem halbjährlich über den Umgang mit Beschwerden berichten. Dabei ist auf Beschwerdevolumen, Entscheidungspraxis, personelle Ausstattung und Qualifikation der entsprechenden Arbeitseinheiten einzugehen.

· Weiterhin müssen sie verantwortliche Ansprechpartner für Straf-, Bußgeld- und Zivilverfahren in Deutschland benennen. Auf Ersuchen der Strafverfolgungsbehörden muss eine Antwort innerhalb von 48 Stunden erfolgen.

· Diese sogenannten Compliance-Pflichten sind bußgeldbewehrt, d.h. die Plattformen begehen eine Ordnungswidrigkeit, wenn sie ein wirksames Beschwerdemanagement nicht oder nicht richtig einrichten. Gegen das Unternehmen kann eine Geldbuße von bis zu 50 Millionen Euro verhängt werden, gegen einzelne verantwortliche Personen im Unternehmen von bis zu fünf Millionen.

· Schließlich haben Internetprovider den Opfern von Persönlichkeitsrechtsverletzungen auf gerichtliche Anordnung hin Auskunft über die bei ihnen gespeicherten personenbezogenen Daten zu dem verantwortlichen Nutzer zu erteilen, damit die Betroffenen mögliche Ansprüche, etwa auf Unterlassung oder Schadensersatz, geltend machen können.

Es ist mir wichtig, nochmals hervorzuheben, dass mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz keine neuen Verbote eingeführt, Hassbotschaften allgemein oder gar sonst zulässige Meinungsäußerungen verboten werden. Es geht vielmehr darum, dass bestimmte Strafgesetze der Bundesrepublik Deutschland auch im Internet durchgesetzt und dadurch die Interessen der Opfer von Straftaten geschützt werden. Denn ihre Rechtsgüter und Interessen werden in unerträglicher Weise beeinträchtigt, wenn strafbare Inhalte wie z.B. eine Verleumdung, eine Bedrohung oder Volksverhetzung trotz Beschwerde gegebenenfalls über einen langen Zeitraum in einem sozialen Netzwerk abrufbar sind. Zu löschen ist dabei immer nur ein bestimmter, konkreter Inhalt, der sich als strafbar erweist, also z.B. ein Posting oder ein Bild. Dagegen verlangt das Netzwerkdurchsetzungsgesetz keinesfalls die Sperrung eines gesamten Nutzeraccounts.

Als CDU/CSU-Bundestagsfraktion haben wir das Netzwerkdurchsetzungsgesetz im parlamentarischen Verfahren im Frühjahr 2017 sehr genau geprüft und intensiv diskutiert. Selbstverständlich haben wir die zum Teil heftige Kritik am ursprünglichen Gesetzentwurf von Bundesjustizminister Maas zur Kenntnis genommen und die Argumente bewertet. Wir haben insbesondere das Argument ernst genommen, dass die Betreiber von sozialen Netzwerken zur Vermeidung von Bußgeldern auf eine genaue Prüfung verzichten und möglicherweise pauschal Inhalte löschen könnten – unabhängig davon, ob diese tatsächlich strafbar sind. Dies ist keinesfalls vom Netzwerkdurchsetzungsgesetz bezweckt und nach meiner Auffassung ist die Gefahr auch nicht begründet, auch weil wir im parlamentarischen Verfahren, in dem nicht weniger als 30 Änderungen am ursprünglichen Gesetzentwurf vorgenommen wurden, wichtige Verbesserungen erreichen konnten. Wir haben vor allem erreicht, dass es für die Betreiber keine Anreize mehr gibt, auch rechtmäßige Inhalte zu löschen. So wird ein Bußgeld gegen den Betreiber nicht verhängt, wenn er sich im Einzelfall bei der Einschätzung irrt, ob Inhalte strafbar sind oder nicht. Ein Bußgeld kann vielmehr nur bei einem systematischen Versagen verhängt werden, etwa wenn der Netzwerkbetreiber sich weigert, seinen Nutzern ein effizientes Beschwerdeverfahren zur Verfügung zu stellen oder die Beschwerden auf ihre Berechtigung hin zu prüfen. Zudem besteht ohnehin – wie oben bereits erwähnt – keine Pflicht zur Löschung von Inhalten innerhalb von sieben Tagen, wenn der Sachverhalt zunächst näher ermittelt werden muss oder die Beurteilung der Rechtswidrigkeit an eine unabhängige Einrichtung der regulierten Selbstregulierung übertragen wird. Mit der freiwilligen Selbstkontrolle räumen wir den sozialen Netzwerken zudem die Möglichkeit ein, die Beschwerdebearbeitung an unabhängige und fachkundige außenstehende Einrichtungen auszulagern. Mit dieser Option steht den sozialen Netzwerken in nicht eindeutigen Fällen die Möglichkeit offen, jedem Druck in Richtung einer vorsorglichen Löschung zur Vermeidung von Bußgeldern zu entgehen. Denn nach Abgabe eines Falles an die Selbstregulierungseinrichtung ist es allein deren Aufgabe, unabhängig über eine Löschung zu entscheiden. Das soziale Netzwerk hat mit der Abgabe seine Pflichten erfüllt. Die Gefahr des sogenannten „Overblocking“ ist dann sicher ausgeräumt.

Vor diesem Hintergrund sind wir der festen Überzeugung, dass die geäußerte Kritik am Netzwerkdurchsetzungsgesetz nun nicht mehr durchgreifend ist. Zugleich werden wir die Entwicklung in der Praxis sorgfältig beobachten und prüfen, ob und gegebenenfalls welche Nachbesserungen erforderlich sind.

Ich hoffe, dass ich Ihnen Ziel und Inhalt des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes näher darstellen und hoffentlich auch Ihre Kritik ausräumen konnte.

Mit freundlichen Grüßen

Elisabeth Winkelmeier-Becker

 

 

 

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