Über die Anregung, interkulturelle Angebote für homosexuelle Jugendliche mit Migrationshintergrund in den Nationalen Aktionsplan aufzunehmen, werden wir sicher diskutieren

Es ist ein wichtiges Anliegen, gegen Benachteiligung und Diskriminierung wegen der sexuellen Orientierung anzugehen. Hier sehe ich einen breiten Konsens im Hinblick auf den Grundtenor des Antrags, den wir heute debattieren. In der Unionsfraktion stehen wir darüber in einem guten, konstruktiven Gedankenaustausch mit dem Verband LSU, Lesben und Schwule in der Union.
 
Ich nutze gerne die Gelegenheit, LSU und vor allem dem Bundesvorsitzenden Alexander Vogt dafür zu danken, dass sie als fester Bestandteil der schwul-lesbischen Community dazu beitragen, dass in der Union die Anliegen und die Sichtweise von homosexuellen oder transsexuellen Menschen authentisch eingebracht und geschildert werden können, und – genauso wichtig – dass sie auch in der anderen Richtung dem einen oder anderen Vorurteil gegenüber der Haltung der Union entgegentreten.
 
Schwul bzw. lesbisch und konservativ? Das muss kein Gegensatz sein. Ich weiß, dass das nicht immer ganz einfach ist, wenn sich LSU-Mitlieder zum Beispiel auf dem CSD mit eigenem Stand als CDU-Mitglied outen. Aber das ist gut so!
 
Ich möchte an den Anfang stellen, dass wir eine Gesellschaft wollen, in der jeder Mensch in seiner individuellen Einzigartigkeit mit gleicher und unbedingter Wertschätzung angenommen wird – mit gerade den Fähigkeiten, den Defiziten, den Anlagen und eben auch mit der sexuellen Orientierung, die ihm mitgegeben worden ist. Wir wollen ein Klima, in dem Menschen unterschiedlicher sexueller Orientierung unbefangen miteinander umgehen und dass dieses Thema dabei nicht alle anderen Themen überlagert.
 
Ich weiß auch, dass das noch nicht erreicht ist. Es gibt immer wieder gelegentlich ein unpassendes und ärgerliches Schenkelklopfen, überflüssige Anspielungen, blöde Witze. Das dürfen wir nicht durchgehen lassen. Wer das mitbekommt – im privaten Kreis, im Beruf, in der Politik, wo auch immer – muss dem entgegentreten. Das muss nicht immer mit Drama sein; aber einfach sagen oder zeigen, dass man das nicht mag, dass das nicht witzig, nicht cool ist, das muss schon sein. Wo es zu solchen Äußerungen oder Kommentaren kommt, kann man als Erwachsener damit zumeist umgehen. Aber für Jugendliche, die mitten in der Phase der Selbstfindung stecken und solche Äußerungen plötzlich auf sich beziehen, die mit Beleidigungen und Mobbing konfrontiert werden, stellt das eine extreme Belastung dar. Wir sehen mit großer Sorge die hohen Selbstmordraten bei Jugendlichen, die eine homosexuelle Orientierung bei sich feststellen. Es ist bedrückend, dass sie offenbar allein aus diesem Grund eine solch extreme Belastung empfinden, dass sie keinen anderen Ausweg sehen als den Freitod. Es ist bedrückend, dass es die Gesellschaft dann nicht geschafft hat, die unbedingte Wertschätzung jedes Menschen in seiner Einzigartigkeit zum Ausdruck zu bringen, auf die ein jeder einen Anspruch hat. Jeder junge Mensch, der sich in dieser Phase der Selbstfindung befindet und Hilfe braucht, muss hier Unterstützung finden. Das ist ein gemeinsames Anliegen, das ja auch dem Antrag zugrunde liegt, den wir heute debattieren. In vielen Punkten beschreibt der Antrag zu Recht die schwierige Lage von Jugendlichen in dieser Situation.
 
In einem hat der Antrag jedoch nicht recht, und schon deshalb kann dem auch nicht zugestimmt werden: Die Bundesregierung zeigt keineswegs Ignoranz und Desinteresse, wie dort formuliert ist. Mit der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage „Lesbische und schwule Jugendliche“, Drucksache 17/2588, hat sie eine ausführliche Bestandsaufnahme vorgelegt, die aufzeigt, dass in diesem Bereich bereits umfangreich gefördert und unterstützt wird. Die Bundesregierung unterstützt über das Förderinstrument Kinder- und Jugendplan des Bundes, aber auch über den gemeinsamen Haushaltstitel der Abteilungen Familie, Chancengleichheit und Ältere Menschen eine Vielzahl von Projekten und Initiativen zugunsten schwuler, lesbischer und transsexueller Jugendlicher, angefangen bei Konferenzen, Handreichungen und Fortbildungen bis hin zur Verbandsförderung des Jugendnetzwerk Lambda e. V., dem lesbisch-schwulen Jugendverband in Deutschland.
 
Die Arbeit der Verbände trägt aus meiner Sicht besonders dazu bei, die Benachteiligung von gleichgeschlechtlichen Jugendlichen abzubauen und ein Klima von gegenseitiger Anerkennung und Respekt zu schaffen. Lambda e. V. erhält bereits seit 1990 regelmäßig aus Mitteln des Kinder- und Jugendplans Fördermittel, die für das Jahr 2011 sogar aufgestockt wurden.
 
Auch im Bereich der sportlichen Bildung haben Aktivitäten zugunsten von lesbischen, schwulen und transsexuellen Jugendlichen bereits heute einen hohen Stellenwert. So sind Veranstaltungen gegen Homophobie im Fußballsport regelmäßiger Bestandteil des Programms der vom Bundesfamilienministerium und dem Deutschen Fußballbund geförderten Koordinationsstelle „Fanprojekte“. Auch in den anderen Jugendbildungssparten findet sich vergleichbares Engagement.
 
In den Medien der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zur Sexualaufklärung und Familienplanung sind interessierende Themen wie sexuelle Orientierung, Coming- out usw. bereits heute angemessen berücksichtigt und finden selbstverständliche Berücksichtigung sowohl bei den Jugendlichen als auch bei den Eltern. In allen Aufklärungsangeboten, vor allem in ihren Broschüren, verfolgt die BZgA einen den Selbstwert stärkenden Ansatz und wendet sich ausdrücklich gegen Stigmatisierung und Ausgrenzung. Zur Prävention von Suizidversuchen und Suiziden fördert das Bundesgesundheitsministerium Initiativen des Nationalen Suizidpräventionsprogramms für Deutschland, NASPRO, bei dem sich eine Arbeitsgruppe speziell mit der Thematik Suizidprävention bei Kindern und Jugendlichen befasst.
 
Die Bundeszentrale für politische Bildung hat das Thema Homosexualität gerade in jüngster Zeit umfangreich sowohl aus zeitgeschichtlicher als auch aus sozial- und politikwissenschaftlicher Perspektive gewürdigt.
 
Besonders schwierig ist sicher die Situation für Heranwachsende mit muslimischem Migrationshintergrund. Gerade hier sind homosexuellenfeindliche Einstellungen wesentlich stärker verbreitet als in der deutschen Vergleichsgruppe. Zu diesem Ergebnis kam die vom Bundesfamilienministerium geförderte Studie „Lebenssituationen von Lesben und Schwulen mit Migrationshintergrund in Deutschland“ im Auftrag des Lesben- und Schwulenverbandes, LSVD. Die Studie zeigt, dass sich viele Lesben und Schwule mit Migrationshintergrund in Deutschland zwar gut integriert fühlen und das gesellschaftliche Klima gegenüber Homosexuellen hier als positiver als in ihren Herkunftsländern erleben. Innerhalb ihrer Familien und Migrationscommunities allerdings erfahren sie mehr Diskriminierung und verzichten deshalb oft auf ein offenes homosexuelles Leben. Homosexuelle ohne Migrationshintergrund hatten der Studie zufolge ein positiveres Selbstbild und eine höhere Lebenszufriedenheit und mehr soziale Unterstützung. An dieser Stelle müssen auch Verbände wie zum Beispiel der Zentralrat der Muslime in Deutschland mithelfen, indem sie auch einen Beitrag zur Aufklärung gegen Homosexuellenfeindlichkeit leisten.
 
Über die Anregung, interkulturelle Angebote für homosexuelle Jugendliche mit Migrationshintergrund in den Nationalen Aktionsplan aufzunehmen, werden wir sicher diskutieren. Die verschiedenen Angebote und Beiträge haben bisher auf vielfältige Weise mitgeholfen, dass sich in den vergangenen Jahren vieles zum Positiven gewendet hat, wie der Antrag ja auch feststellt. Auf diesem Weg muss es weitergehen.
 
Elisabeth Winkelmeier-Becker
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